Mit dem Beginn des neuen Jahres ist es an der Zeit, einen Blick auf die Trends für 2025/2026 zu werfen. Besonders die Gastronomie- und Hotellerie muss sich mit innovativen Ansätzen auf veränderte Gästeerwartungen, steigende Kosten und den Fachkräftemangel einstellen. Der renommierte Change-Experte Pierre Nierhaus weiß, welche wegweisenden Entwicklungen die Branche in den nächsten zwei Jahren prägen werden. Im ersten Teil stellen wir dir fünf der insgesamt zehn wichtigsten Trends seines umfangreichen Trendreports vor.
Thema 1 – Emotionen sind das wahre Kapital
Die Individualgastronomie steht vor einer großen Chance, sich als einzigartige und unverwechselbare Alternative im Gastgewerbe zu positionieren. Individualität ist ihr größter USP: Lokale, die durch ihre Einzigartigkeit überzeugen, bieten Gästen ein personalisiertes und interaktives Erlebnis, das auch durch den Einsatz von Technologien wie Smartphones gesteuert werden kann, ohne die persönliche Gastfreundschaft zu ersetzen.
Gerade in einer Zeit, in der Revenue kills Hospitality zur weltweiten Herausforderung wird, bleibt emotionale, analoge Gastfreundschaft der entscheidende Faktor. Revenue ist wichtig, aber erfolgreiche Gastronomen sind gute Gastgeber und können trotzdem rechnen.
Aus Liebe zum Genuss
Das Zusammenspiel aus effizienter Digitalisierung für interne Prozesse und authentischer, menschlicher Interaktion am Gast ist der Schlüssel. Echte Emotionen, authentisches Storytelling und analoge Erlebnisse durch F&B, Service, Design und Atmosphäre schaffen bleibende Eindrücke.
Die Gastronomie braucht und bringt Erlebnis und Gefühl. Dazu gehört auch das Genusserlebnis. Die Individualgastronomie steht für gutes Essen: selbstgekochte Speisen aus hochwertigen Produkten, möglichst natürlich und von regionalen Erzeugern, dazu Winzerweine, hausgemachte Säfte, hochwertige Tees und Kaffeespezialitäten.
Kreative Konzepte
Neue Konzepte wie Multi-Use-Spaces (Kombination aus Café, Co-Working, Bar und Eventlocation) oder Erlebnisgastronomie mit interaktiven Elementen, Live-Shows und Storytelling Menus (z. B. Theatergastronomie) bieten innovative Möglichkeiten, um Gäste anzusprechen.
Beispiele wie die Social Kitchen in Wien mit Kochkursen kombiniert mit Shared Dinner und Networking oder das Chamäleon Theater in Berlin (Live-Performances mit 4-Gänge-Menü) zeigen, wie kreative Formate erfolgreich umgesetzt werden können.
Exzellente Gastfreundschaft
Die Pandemie hat eine Bereinigung in der Branche ausgelöst. Übrig geblieben sind häufig wirtschaftlich stärkere und professionellere Anbieter, die mit durchdachten Konzepten und digitaler Unterstützung effizienter arbeiten. Gleichzeitig werden höhere Löhne für weniger Mitarbeiter erforderlich, was den Fokus auf exzellenten analogen Service und individuell abgestimmte Angebote verstärkt.
Ein klares Profil, kleinere, aber durchdachte Speisekarten, personalisierte Angebote in Form von Menü-Optionen oder ein Boutique-Charakter heben die Individualgastronomie hervor. Digitalisierung optimiert Prozesse, doch entscheidend bleibt die emotionale, analoge Gastfreundschaft – das Erlebnis Ausgehen ist und bleibt unverzichtbar.
Thema 2 – Foodtrends sprengen Grenzen
Die Foodtrends in der Gastronomie und Ernährung verschieben sich stark in Richtung Nachhaltigkeit, Natürlichkeit und Innovation. Verbraucher wollen immer weniger Gentechnik und sind zurückhaltend bei kultiviertem Fleisch. Für die Gastronomen ist es wichtig, diese Trends zu kennen und sie wohlüberlegt umzusetzen. Denn die wichtigste Anforderung an die Gastronomie im Jahr 2025 lautet: einen klaren Fokus setzen und Angebote sowie Prozesse so weit wie möglich – auch unter Nutzung von Automation und KI – zu vereinfachen. Foodtrends sind Teil dieses Wandels: Es kommt darauf an, sie gezielt zu nutzen.
Natürlichkeit schlägt alles
Der wichtigste Trend bei der Ernährung heißt Natürlichkeit. Pflanzenbasierte Küche bleibt angesagt. Gäste lieben frisch gekochte Gerichte, ohne Zusatzstoffe – Aspekte, die auf die Individualgastronomie zutreffen und eine Chance darstellen. Gastronomen setzen verstärkt auf die Zusammenarbeit mit Betrieben, die Böden und Ökosystem regenerativ bewirtschaften – auch als Reaktion auf die zunehmende Nachfrage nach Transparenz und Authentizität.
Vielfach wird nicht nur die Region, sondern auch die Erzeuger werden den Gästen vorgestellt.
Noch weiter geht das geht das Honesty Food-Konzept in Skandinavien, bei dem Restaurants die Herkunft und die Preiszusammensetzung ihrer Gerichte veröffentlichen.
Von Urban-Farming bis Zero-Waste
Im Bereich der Zero-Waste-Cuisine entstehen spannende Restaurantkonzepte wie das Blue Hill in New York, das kreative Gerichte aus übriggebliebenen Zutaten, etwa Brotschalen-Suppen oder Gemüse-Stängelchips, anbietet.
Das Nolla in Finnland betreibt eine hyperlokale Produktion, führt Gäste hinter die Kulissen und zeigt, wie Abfall vollständig vermieden wird.
In der Zukunft könnte urban farming als fester Bestandteil von Gastronomiekonzepten weiterwachsen wie im Farm-to-table-Restaurant Bite in New York.
Innovative Lebensmittel
Die Entwicklung von alternativen Proteinen, darunter pflanzenbasierte Produkte, kultiviertes Fleisch und Insektenproteine schreitet weltweit voran. Das Restaurant Grub Kitchen in Wales bietet Grillen-Burger und Mehlwurmpasta. In einer Fallstudie von Upside Foods in den USA setzen Michelin-Sterne-Köche kultiviertes Fleisch ein, um Geschmack und Textur zu optimieren.
Restaurants wie Crustacean Beverly Hills in den USA bieten bereits kultivierte Garnelen als Delikatesse an. Neben Pflanzen werden Algen als nachhaltige Superfoods populär. Zudem wächst der Trend zu hyperpersonalisierter Ernährung basierend auf DNA-Tests und Gesundheitsdaten.
Immer und überall: Umami
Auch die Zubereitungsmethoden ändern sich, weg vom Frittieren hin zum Dämpfen wie bei der britischen, asiatisch inspirierten Fast Food-Kette itsu. Immer stärker wird die Fermentation betont, insbesondere in der skandinavischen Küche. Umami als Geschmackstrend wird immer wichtiger,
wobei vegetarische und vegane Gerichte zunehmend mit Grill- und Umami-Aromen versehen werden.
Der Trend zu Vegification – die Umwandlung klassischer Gerichte in vegane Varianten – ist ein weiterer Ausdruck dieses Wandels. Aktuell ernähren sich in Deutschland 9% der Bevölkerung vegetarisch, 2% vegan. Bei der Gen Z beträgt der Anteil 14% bzw. 7%.
Thema 3 – Kein Alkohol ist keine Lösung – oder doch?!
Der Markt für innovative, gesunde und funktionale Getränke wächst weiter und diversifiziert sich zunehmend. Angesagt bleiben alkoholfreie Cocktails und alkoholfreies Bier.
Auch der Espresso Martini und Getränke mit Kräutern und natürlichen Zutaten erfreuen sich wachsender Beliebtheit, wobei das Thema Mindful Drinking auch hier eine Rolle spielt.
No- oder Low-Alcohol boomt
Der Trend des Mindful Drinking wird zunehmend anerkannt und immer mehr Bars bieten eine Vielzahl von kreativen alkoholfreien Cocktails an. Bars wie das The Virgin Mary in Dublin, das ausschließlich alkoholfreie Drinks serviert, sind Vorreiter in diesem Bereich. Dabei setzen Mixologen auf innovative Zutaten wie Kombucha oder Shrubs, um neue Geschmackserlebnisse zu schaffen. Marken wie Seedlip mit ihren alkoholfreien Spirituosen expandieren stark. Das Lyre’s Sortiment ermöglicht Cocktails wie alkoholfreie Mojitos oder Gin Tonics.
Craft Beer und Aperitifs bleiben stark
Generell verliert Bier zunehmend an Relevanz, während alkoholfreies Bier wächst. Lokale Brauereien mit Craft-Bieren mit regionalem Fokus stärken ihre Marktposition. Im Trend liegen Aperitif-Kultur und Spritz-Varianten ebenso wie die wiedergekommenen Longdrinks. Hochwertige Tees und Säfte aus eigener Herstellung sind Umsatzbringer und können aufgrund gestiegener Erzeugerpreise hochpreisig verkauft werden.
Neue Geschmackserlebnisse mit Wirkung
Auch der Bereich der funktionellen Getränke wächst, etwa durch Probiotische Shots wie Biotiful Kefir oder durch Getränke von Marken wie GoodMood (PepsiCo), die sowohl Energie liefern als auch die Hydration fördern. Funktionelle Getränke, die mit adaptogenen Zutaten wie Ashwagandha oder Ginseng angereichert sind, betonen den Gesundheitsaspekt und sprechen vor allem gesundheitsbewusste Konsumenten an. Gleichzeitig gewinnen Wasserprodukte mit Zusatzstoffen wie Vitaminen und Elektrolyten zunehmend an Popularität.
Aufregende Luxusdrinks
Ein weiteres spannendes Segment ist der Bereich der Luxusdrinks, die durch aufwändige Zutaten und Präsentation bestechen. Bars wie das Connaught in London bieten Prestige Cocktails an, die mit handgeschnitztem Eis, Trüffel oder sogar Gold veredelt werden. Auch Tequila-Trends, wie der Clase Azul Tequila Reposado, mit einer rund 200 Euro teuren Flasche setzen auf Exklusivität – Shots in Bars werden für 15 Euro und mehr angeboten.
Thema 4 – “Middag” am Abend – Gruß aus Dänemark
Snacks sind heute vielseitig, praktisch und nachhaltig – die neue Hauptmahlzeit für den modernen Alltag. Vorreiter ist Dänemark: Dort wird der Snack ist gesellschaftsfähig geworden und etabliert sich als eigenständige Mahlzeitoption, die sich vom Image des reinen Ersatzessens löst. Es gibt eine interessante Begriffsverschiebung: das warme Abendessen heißt Middag. Tagsüber setzt sich der Trend zu kleineren, flexibleren Mahlzeiten (im Dänischen Frokost) durch.
Snackification ist Big Business
Diese sogenannte Snackification spiegelt den schnellen Lebensstil wider, bei dem kleine Portionen die Hauptmahlzeiten ersetzen. Snacks sind heute nicht nur praktisch und gesund, sondern auch attraktiv und nachhaltig verpackt. Zugleich ist Snacking ein profitabler Markt und die Branche auf Wachstumskurs. Große Akteure wie McDonald’s reagieren mit milliardenschweren Investitionen weltweit, um ihren Platz in diesem dynamischen Markt zu behaupten. Und sogar bald einigen zweispurigen Drive-Ins. Das Segment Snack ist heute vielfältiger, hochwertiger und stärker in den Alltag integriert denn je.
Internationale Snacktrends
Internationale Einflüsse prägen den Markt: Während der Burger als globales „Proteinsandwich“ seine Spitzenposition behält, treten neue Varianten wie Smashburger auf.
Gerüchte, dass der Döner den Burger ablösen könnte, sind unbegründet, doch erste Bio-Döner und gesündere Alternativen wie Falafel und Samosas gewinnen an Beliebtheit. Diese Snacks, inspiriert von levantinischer und indischer Küche, sprechen neue Zielgruppen an. Auch Empanadas aus Brasilien überzeugen als temperaturstabile „Snackträger“. Mexikanische Gerichte wie Tacos und Burritos feiern ein Revival, das über Kalifornien nach Europa schwappt, angeführt von Ketten wie Pink Taco.
Snacks werden nachhaltig
Parallel dazu wächst das Interesse an Clean-Label-Snacks mit transparenten Zutatenlisten und weniger Zucker oder Konservierungsstoffen. Neue Quick-Service-Ketten wie Greenkarma oder Kaspar Schmauser setzen auf gesunde und innovative Konzepte, während Egg Sandwiches wie vom Berliner Bregg weitere Akzente im Markt setzen.
Thema 5 – Babyboomer, Gen Z & Alpha und Familien sind unsere Zukunft
Der Gastronomiemarkt verändert sich rapide und bietet zahlreiche neue Chancen, aber auch Herausforderungen. Gesellschaftliche Strukturen und Zielgruppenbedürfnisse haben sich stark gewandelt. Deutschland ist ein starkes Land für der Single-Diners, die Wert auf ein schönes Ambiente legen und Restaurants für das individuelle Erlebnis besuchen, und für ältere Gäste.
Old is gold-Konzept
Die Silver Society, also ältere Gäste, legt besonderen Wert auf Gesundheit, Komfort und Barrierefreiheit. Aspekte wie angenehme Akustik und Licht, kleinere Portionen, gut lesbare Speisekarten oder sogar Lesebrillen gewinnen an Bedeutung. Innovative Ansätze, wie in Japan gelebte Old is Gold-Restaurants, zeigen, dass traditionelles Essen und altersgerechter Service auch in Deutschland eine Zukunft haben könnten.
Die Babyboomer kommen
Eine für die Gastronomie wichtige Zielgruppe ist die geburtenstarke Babyboomer-Generation. Sie verfügt über Zeit und Geld, ist oft mit Familie oder Enkeln unterwegs, und viele sind offen für Nebenjobs in der Gastronomie, sei es aus Langeweile oder finanziellen Gründen. Die Babyboomer sind die jungen Alten: zumeist recht fit, anspruchsvoll, qualitätsbewusst, gut informiert, reiseerfahren und durchaus bereit, Neues und Trendiges auszuprobieren. Ihr Lifestyle orientiert sich an den Jüngeren, was Kleidung. Sport und Ernährung betrifft.
Neue Generationen – neue Zielgruppen
Auf dem Markt haben sich durch Gentrifizierung, Downsizing und veränderte Arbeitswelten viele Gastronomiebetriebe neu orientieren müssen. Besonders die obere Mittelschicht kämpft, während systemgastronomische Betriebe weiterhin stabil bleiben. Trotz kürzerer Öffnungszeiten und weniger Spitzenrestaurants gibt es Potenzial in der Individualisierung:
vegetarische, vegane oder gesundheitsorientierte Konzepte können neue Gästegruppen ansprechen.
Gleichzeitig prägen neue Zielgruppen wie Generation Z und Alpha den Markt. Als Digital Natives erwarten sie hybride Erlebnisse, bei denen digitale und vor Ort gebotene Services nahtlos ineinandergreifen. Gäste mit Einschränkungen fordern ebenfalls maßgeschneiderte Konzepte, etwa barrierefreie Restaurants oder spezielle Menüs für Allergiker. Vegetarische, vegane oder gesundheitsorientierte Konzepte können neue Gästegruppen ansprechen und bieten Potenzial in der Individualisierung. Ganze Familien, generationsübergreifend, genießen das Gemeinsame in der Gastronomie.
Über den Autor:
© Pierre Nierhaus / Martin Joppen
Pierre Nierhaus ist Trendexperte für Hospitality und Lifestyle.
Weltweit recherchiert er nach Konzepten und Veränderungen – auch in ihrem gesellschaftlichen Umfeld. Die daraus folgenden Erkenntnisse macht er nutzbar für die Hospitality Branche, speziell im deutschsprachigen Raum.
Er beobachtet 30 Metropolen weltweit und nimmt mehr als 20 mal im Jahr interessierte Profis mit auf seinen Trendexpeditionen.
Pierre Nierhaus ist spezialisiert auf Innovationsworkshops, Konzept- und Strategieberatungen.
Er hält Vorträge und hat 4 Bücher veröffentlicht.
Weitere Infos sowie den gesamten Trendreport als Download finden Sie auf der Website:
www.nierhaus.com