Von Obst und Gemüse bleibt nach der Zubereitung oft nicht mehr viel übrig. Dabei sind Strunk, Blätter & Co. echte Köstlichkeiten. Und es gibt eine Reihe von spannenden Rezepten.
Beim Zubereiten eines Gerichtes landet viel in der Abfalltonne. Esther Kern findet das schade. Die Schweizer Food-Journalistin ist Initiatorin und Namensgeberin der Aktion „Leaf to Root“ – also „Vom Blatt bis zur Wurzel“. Im Interview erklärt sie ihr Konzept.
Esther, was spricht für das Konzept „Leaf to Root”?
Ganz viel! Wurzeln, Blätter und Schalen sind super Gemüseteile und eine tolle kulinarische Bereicherung. Sie sind viel zu schade, um sie einfach wegzuwerfen. Man kann mit ihnen vielseitig kochen oder leckere Snacks zubereiten. Das beschert völlig neue Geschmackserlebnisse. Aber nicht nur das. Wenn man Gemüse komplett verarbeitet, lernt man auch, es mehr wertzuschätzen. Denn: Selbst mit Gemüsesorten, die vor der eigenen Haustür wachsen, gibt es jede Menge Exotisches zu entdecken.
Zum Beispiel?
Frittierte Maishaare, damit kann man Maisgerichten eine exotische Note verleihen.
Wie alt bzw. wie jung ist „Leaf to Root“?
Avantgarde-Köche experimentieren beim Kochen schon seit Jahren mit Kraut, Stielen und Samen von Früchten. Als Foodjournalistin und Gastrokritikerin kam ich viel in Kontakt mit Spitzenköchen. Ihr Umgang mit Gemüse hat mich immer fasziniert. Das war die eine Inspiration für „Leaf to Root“. Die andere: Vor fünf Jahren habe ich in meinem Garten nahe Zürich Bio-Karotten geerntet und mich gefragt, weshalb ich das Kraut eigentlich wegwerfe. Ich stellte diese Frage dann Freunden und Bekannten – niemand konnte mir eine befriedigende Antwort geben. Viele glaubten auch, es sei giftig.
Wie ging es dann weiter?
Weil sich keine befriedigende Antwort fand, kam ich auf die Idee, rund um verschmähte Gemüseteile eine Aktion zu starten. Diese Aktion nannte ich „Leaf to Root“. Vorbild wardas vom Fleisch her bekannte Konzept „Nose to Tail“ (deutsch: „Von der Nase bis zum Schwanz“). Und ich habe dann in Zürich einige Köche gefunden, die mir ihre Rezepte zeigten für spezielle Gemüseteile. Das habe ich auf meinem Blog dokumentiert. Bei meinen Recherchen stieß ich auf historische Quellen und Kochbüchern aus anderen Ländern und entdeckte viele interessante Rezepte. Etwa solche für Erbsen- und Kürbistriebe.
Den Blütenansatz zu essen, mag ja noch gut ankommen. Aber schmeckt es tatsächlich, den Strunk etwa vom Weißkohl mitzuessen?
Ja! Man kann den Strunk am Stück kochen oder kurz dünsten, dann mit Olivenöl beträufeln und mit Kräutern bestreuen – köstlich!
Wurzeln, Blätter und Schalen von welchen Gemüsesorten eignen sich, welche eher nicht?
Es eignen sich sämtliche Gemüsesorten aus der Kohl-Familie, also: Kohlrabi, Spitzkohl, Brokkoli, Blumenkohl, Weißkohl, Grünkohl und so weiter. Ein Klassiker sind inzwischen zum Beispiel Chips aus den Blättern der Kohlrabi. Vorsichtig sollte man bei Nachtschattengewächsen sein. Dazu zählen unter anderem Tomaten. Deren Blätter enthalten Solanin und gelten als giftig.
Was ist mit Bananenschalen – sind die auch genießbar?
Ja, darüber war ich anfangs auch sehr erstaunt. Toll schmeckt ein Kuchen, bei dem Bananenschalen mit Wasser gemixt in den Teig kommen. Man sollte in jedem Fall Bio-Bananen verwenden.
Und wie sieht’s mit Avocadokernen aus?
In Smoothies sind sie klasse! Avocadokerne schmecken bitter, man sollte für ein angenehmes Geschmackserlebnis nicht zu viel davon nehmen.
Ist das „Leaf to Root”-Konzept nur ein vorübergehender Trend oder wird es sich dauerhaft etablieren?
Das Bewusstsein, dass es einfach schade ist, so viele köstliche Teile vom Gemüse achtlos wegzuwerfen, wird sich immer mehr durchsetzen, davon bin ich überzeugt.
Rezepte von Esther Kern gibt es nicht nur in ihrem Blog, sondern auch in ihrem Buch „Leaf to Root“. Zudem sammelt und teilt sie auf Instragram unter @leaftoroot regelmäßig neue Inspirationen.