Interview mit Business-Coach Thomas Pütter, Berater für Organisationsentwicklung und Change Management und Dozent an der Deutschen Hotelakademie. Als Unternehmer hat der gelernte Hotelfachmann selbst über 20 Jahre erfolgreich ein mittelständisches Hotel geführt und kennt das Spannungsfeld zwischen operativem Geschäft und systematischer Mitarbeiterführung.
Eine der größten Herausforderungen im Gastgewerbe ist es, gutes Personal zu finden. Warum ist das heute so schwierig?
In vielen Betrieben herrschen noch alte Arbeitsmodelle und tradierte Führungsstile, in denen sich die Generation y und z heute nicht mehr wiederfindet. Oft werden noch sehr hierarchische Strukturen und ein steifes Miteinander gepflegt. Das machen die jungen Leute nicht mehr mit. Wenn man aber bedenkt, dass im Jahr 2020 die Millenials weit mehr als ein Drittel des deutschen Arbeitsmarktes ausmachen werden, tun Hoteliers und Gastronomen gut daran, schnellstmöglich die Perspektive zu ändern und einmal zu schauen: Was wollen diese jungen Arbeitnehmer und Fachkräfte von morgen eigentlich? Diese Generation legt zum Beispiel viel Wert auf eine Work-Life-Balance und sieht einen starken Anreiz in einer sinnstiftenden Arbeit. Sprüche wie: „Das ist so bei uns, weil wir es immer schon so gemacht haben“ kommen da nicht gut an.
Gute Leute wissen, dass sie gefragt sind in der Branche. Was bedeutet diese Tatsache für das Recruiting?
Jeder Arbeitgeber muss sich heute fragen: Was sind meine Employer Values, warum also sollte jemand bei mir arbeiten wollen? Hierfür muss ich erst einmal die sogenannten „Hygienefaktoren“ definieren. Dabei geht es um materielle Anreize wie das Gehalt genauso wie z.B. um die Frage, habe ich Arbeitnehmer verträgliche Öffnungszeiten? Eine Frage muss außerdem lauten: Warum sollte ein Mitarbeiter gerade bei mir und nicht bei der Konkurrenz arbeiten? Was habe ich möglicherweise anderen Betrieben voraus? Um attraktiv zu werden für gutes Fachpersonal, ist es deshalb häufig notwendig, das Geschäftsmodell eines Betriebes einmal grundlegend konzeptionell zu überdenken. In meinen Coachings kommt oft die Frage nach vorgefertigten Programmen, mit denen der Hotelier oder Gastronom losgehen und quasi auf Knopfdruck das „Mitarbeiterproblem“ lösen kann. Wenn ich von Hoteliers so etwas höre, antworte ich gern: Kennen Sie das Gesetz der Ernte? Das ist ganz einfach erklärt: Der Bauer muss im Frühjahr erstmal rausgehen und saubere Saat legen, dann düngen, später gießen. Sonst klappt es nicht mit der Ernte im Herbst. Ich muss also erst mal vernünftig „mein Feld bestellen“. Dabei sind aus meiner Sicht wesentliche Fundamente zu legen: Zum einen das Leitbild und meine Visionen für die Zukunft. Fragt man einen Hotelier oder Gastronomen, wo er 2025 mit seinem Unternehmen stehen möchte, blickt man nicht selten in ratlose Gesichter. Wichtig ist auch, dass alle Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Prozesse zwischen den Abteilungen und Einheiten geklärt sind, also ein professionelles Organigramm aufgestellt wird. Viele, gerade kleinere Betriebe machen den Fehler, dass sie aus Konfliktscheu keine klaren personellen Abgrenzungen vornehmen. Nichts ist aber schlimmer, als wenn das Team nicht weiß woran es ist und wer weisungs- und entscheidungsbefugt ist. Apropos: Zu den Fundamenten einer guten Personalpolitik gehört auch, meine Führungsmentalität klar zu definieren. Wie will ich führen? Hierfür sollte ein konkretes Führungsleitbild entwickelt werden. So wird vermieden, dass Führen Zufall und Tagesform abhängig ist. Und damit meine ich nicht nur das oberste Management. 80 Prozent der Kündigungen haben mit dem direkten Vorgesetzten zu tun. Nächster Punkt: Mitarbeitergespräche. Wie wichtig Entwicklungsgespräche sein können und was sie für die Motivation bewirken, wird leider immer noch unterschätzt. Genauso wie eine gute Meetingstruktur. Heißt: Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, an bestimmten Meetings teilzunehmen und auf diese Weise mit in die Zielplanung einbezogen zu werden.
Wo sollte ich als Hotelier oder Gastronom ansetzen, um günstige Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Fachkräfte überhaupt erst einmal auf mich aufmerksam werden? Was sind häufige Fehler, die Sie in der Außendarstellung beobachten?
Wenn ich die oben genannten Fundamente gelegt habe, kann ich sie prima beim Recruiting einsetzen und damit gezielt werben. Denn dann habe ich die stärksten Hebel, um gute Fachkräfte für mich zu interessieren. Wichtig ist es dann aber auch, diese Stärken richtig zu kommunizieren. Das beginnt schon bei der Website eines Hotels oder Restaurants. Oft ist der Mitarbeiterbereich weder ansprechend noch aussagekräftig und liegt irgendwo versteckt auf der zigsten Unterseite. Dabei sollten potenzielle Bewerber gerade hier auf einen Blick sehen, wie attraktiv ich als Arbeitgeber bin und wovon sie profitieren können, wenn sie sich für mich entscheiden. Und auch Social Media Kanäle sollten mit einbezogen werden. Hier kann ich super mit Videos und Bildern arbeiten und auch eigene Mitarbeiter als Empfehlungsgeber für meinen Betrieb einbinden. Und das alles ohne große Kosten.
Ein wichtiger Schritt ist getan, ich habe gute Bewerber, die sich für einen Arbeitsplatz in meinem Betrieb interessieren. Wie überzeuge ich diese nachhaltig, dass ich wirklich der richtige Arbeitgeber für sie bin?
Das fängt schon bei der Verwaltung der Bewerbungen an. Wir haben Tests durchgeführt und festgestellt, dass in vielen Betrieben die Response-Zeiten viel zu lang sind. Das liegt oft daran, dass auch hier keine richtigen Zuständigkeiten definiert sind. Diese Prozesse müssen schlank und schnell sein. Es kann nicht sein, dass Bewerbungen tagelang irgendwo „hängen“, ohne bearbeitet zu werden. Wenn es dann zum persönlichen Gespräch mit einem Bewerber kommt, sollte es möglich sein, ihm auch den künftigen Arbeitsplatz zu zeigen, ohne dass dieser gleich wieder auf dem Absatz kehrt macht. Junge Fachkräfte wollen einen Arbeitsplatz mit einer modernen Infrastruktur und keine veralteten Kombidämpfer oder langsamen PCs. Gib schon im Bewerbungsgespräch möglichst viele Infos, wie bestimmte Dinge in deinem Betrieb geregelt sind, z.B. Trinkgeld und Wochenendarbeit. Das schafft Transparenz und Nähe. Und gewähre auch einen Einblick in deine Unternehmenskultur. Die kann ich übrigens auch aufbauen, indem ich feste Rituale im Betrieb lebe. Das können z.B. die Luftballons sein, die ich aufsteigen lasse, wenn eine Mitarbeiterin in Mutterschutz geht und auf denen jeder Kollege einen Wunsch für sie verewigt. So entsteht Spirit! So bringe ich meinem Personal Wertschätzung entgegen. Und diese, zu der übrigens auch regelmäßiges Lob und Feedback gehört, kann wesentlich dazu beitragen, ob Mitarbeiter sich bei mir gut aufgehoben fühlen – und dann auch gern als Empfehlungsgeber fungieren für neue Bewerber.
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen erhalten Interessierte in den Coachings und Vorträgen von Thomas Pütter www.eulzer-und-puetter.de sowie in seinem Buch „Denk neu – 21 ½ pragmatische Impulse, wie Unternehmen auf Kurs bleiben“