Chinesische Touristen sind die weltweit größten Geldgeber und eine der lukrativsten Gästeklientel für Unternehmen der Hotel- und Touristikbranche in Deutschland, egal ob kleiner Familienbetrieb oder große Hotelkette, sagt China-Expertin Rossella Pfundt, Founder Success with tourists from China. Wir haben mit ihr gesprochen.
Frau Pfundt, Sie sehen für die Tourismusbranche großes Potenzial in Gästen, die aus China nach Deutschland kommen. Einen Markt, den Hotels nicht ungenutzt lassen sollten und der in Zukunft sogar noch lukrativer werden könnte, als er heute schon ist. Können Sie uns das etwas näher erläutern?
Gern. Zunächst einmal: Was vielen Hotels gar nicht bewusst ist, China ist seit 2012 der größte Markt für Auslandstourismus weltweit. Die sogenannten Chinese Outbound Tourists geben mehr Geld aus als Reisende aus allen anderen Nationen. In 2019 insgesamt 264 Mrd. US Dollar. Auf Platz 2 liegt der frühere Spitzenreiter USA mit 140 Mrd. Dieser Abstand zeigt, wie deutlich der Vorsprung Chinas ist. Für das kommende Jahr wird sich der Umsatz mit chinesischen Touristen laut Schätzungen sogar auf 315 Mrd. US Dollar erhöhen. Der Markt entwickelt sich also rasant. Europa ist im chinesischen Auslandstourismus übrigens die beliebteste Destination nach Asien und Deutschland rangiert hier unter den Top 5-Ländern. Während wir im Jahr 2008 noch 0,9 Mio. chinesische Touristen bei uns verzeichneten, hat sich diese Zahl in 2018 bereits mehr als verdreifacht, auf 2,9 Mio. Dabei besitzen aktuell in China nicht mal neun Prozent der Bevölkerung einen Reisepass. Und davon reisen bisher gerade mal zwei bis drei Prozent. Man kann sich also ausrechnen, wie viel Wachstumspotenzial hier schlummert. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, sich die Frage zu stellen: Wie kann ich diesen Markt für den eigenen Betrieb erschließen?
Um hier mögliche Chancen richtig zu nutzen: Was sollte ich über die chinesische Mentalität wissen? Wo „ticken“ Chinesen anders als z.B. deutsche Gäste und inwiefern sollten Hotels dies bei der Zielgruppenansprache in ihren Marketingmaßnahmen berücksichtigen?
Als erstes ist es hilfreich, die Hauptreisezeiten der Chinesen zu kennen. Dazu gehört das „Chinese New Year“ Ende Januar/Anfang Februar, die Sommersaison von Mai bis August und die „Golden Week“ in der ersten Oktoberwoche. Zwei dieser chinesischen Hauptreisezeiten liegen also in Monaten, in denen bei uns in vielen Regionen Nebensaison ist. Wichtig außerdem für das Marketing: Chinesen sind extrem online-affin. Im weltweiten Vergleich hat das Internet in China die höchste Verbreitung. Chinesen nutzen allerdings keine Computer mehr, sondern gehen nur noch über ihr Mobiltelefon online. Alle Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen müssen also für die Darstellung auf Smartphones optimiert sein. Bei der Frage, wie chinesische Touristen „ticken“, müssen wir unterscheiden zwischen Gruppenreisenden und Individualreisenden. Für Gruppen gilt „the more, the better“. Deshalb sollten Hotels in ihren Prospekten betonen, dass viele interessante Ausflugsziele in der Umgebung liegen. Dabei sind Entfernungen für Chinesen relativ und nicht mit unserer deutschen Auffassung zu vergleichen. Das heißt, für diese Touristen können auch Sehenswürdigkeiten und benachbarte Städte attraktiv sein, die in einem Radius von 100 Kilometern oder mehr liegen. Anders sieht es bei Individualreisenden aus, die meistens eine größere Reiseerfahrung mitbringen. Für sie zählt „je extravaganter, desto besser“. Deshalb gilt es hier herauszustellen, was ich als Hotel Besonderes zu bieten habe. Diesen Touristen ist das Beste gerade gut genug und sie sind auch bereit, dafür hohe Preise zu zahlen. Bei der Gestaltung von Werbematerialien empfiehlt es sich, Symbole einzubinden, die mit den chinesischen Feiertagen zu tun haben, z.B. zum Chinese New Year. Gleiches gilt für die Farbgestaltung: Rot steht in China zum Beispiel für Glück und Zufriedenheit, Gold wird mit Wohlstand verbunden. Eine Idee kann sein, einen Chinese New Year-Rabatt anzubieten. Das zeigt den Reisenden aus Fernost, dass sich der Hotelier mit ihrer Kultur beschäftigt hat und diese respektiert.
Welche Suchmaschinen nutzen Reisende aus China zum Beispiel?
Alle Online-Tools, die wir im Westen kennen, sind für die Ansprache chinesischer Touristen quasi wertlos. Das google der Chinesen heißt Baidu, mit einem Marktanteil von 78 Prozent. Google hat dort nur einen verschwindend geringen Anteil von gerade mal 1,3 Prozent. Manche europäische Seiten werden über Baidu gefunden, andere nicht. Hier lässt sich leider kein System erkennen, sondern alles ist sehr willkürlich. Es empfiehlt sich also, einmal über baidu.com zu prüfen, ob mein Betrieb auf den Ergebnisseiten auftaucht. Falls nicht, kann man versuchen, sich von Baidu indexieren zu lassen, indem man eine Anfrage an das Unternehmen schickt. (Hier geht’s zur Baidu-Anfrage. Anm. der Red.:Die Seite ist nur in chinesischer Sprache verfügbar.)
Social-Media ist heute ein großes Thema im Tourismusbereich. Welche Social Media-Kanäle sind bei Chinesen angesagt?
Auch auf unsere Social Media-Kanäle haben Menschen in China keinen Zugriff. Dort nutzt man zum Beispiel Weibo, das ähnlich wie Twitter funktioniert, und Youku, das Pendant zu youtube. An erster Stelle liegt jedoch WeChat, eine Kombination aus Facebook, Twitter, Messaging-Dienst und Bezahlsystem, das 1,1 Mrd. Nutzer in China hat. Drei bis vier Stunden am Tag verbringen Chinesen mit WeChat. Privat kann sich jeder die App runterladen und einen Account einrichten. Für Unternehmen ist es komplizierter. Diese können einen Official-Account erstellen. Als Betrieb in Deutschland muss man hierfür jedoch mit Agenturen in China zusammenarbeiten, die die nötige Business-Lizenz haben. Dazu sollte man wissen, dass Marketingmaßnahmen in China sehr kostenintensiv sind. Deshalb gilt es im Bereich Social Media abzuwägen, ob mein Nutzen im richtigen Verhältnis zum notwendigen Aufwand steht. Für Unternehmen, die ein großes Budget und einen langen Atem haben und den chinesischen Markt systematisch und langfristig für sich erschließen möchten, kann so ein Invest sicher sinnvoll sein. Kleinere Betriebe sollten besser die Finger davon lassen und auf andere Wege und Maßnahmen setzen.
Nehmen wir an, mein Hotel wurde gefunden. Jetzt die interessante Frage: Wie buchen chinesische Touristen am liebsten?
Auf jeden Fall online, über Online Travel Agencies. Die Beliebteste ist Trip.com mit einem Marktanteil von 36 Prozent. An zweiter Stelle rangiert Qunar mit 18 Prozent vor Fliggy (ca. 14 Prozent). Um dort gelistet zu sein, sollte man am besten direkt mit den OTAs Kontakt aufnehmen. Wichtig zu wissen: Bei jeder Buchung berechnen die Buchungsplattformen eine entsprechende Provision.
Und welche Zahlungsmittel nutzen sie?
Auch bei der Bezahlung geht der Chinese am liebsten online und nutzt auch hierfür sein Smartphone. Die beliebtesten bargeldlosen Bezahldienste in China sind Alipay und WeChat Pay. Es gibt verschiedene Dienstleister, mit denen ich in Deutschland zusammenarbeiten kann, wenn ich eine der Zahlungsmöglichkeiten in meinem Unternehmen anbieten möchte. Wir pflegen zum Beispiel eine Partnerschaft mit Wirecard. Das Einrichten solcher Zahlungswege erfordert keinen großen Aufwand. Im Grunde laden Sie sich nur eine App runter. Die Bezahlung erfolgt dann über das Lesen von QR-Codes.
Stellen chinesische Gäste besondere Ansprüche an die Ausstattung im Hotel? Wo liegen hier die Prioritäten?
Ein wichtiges Argument ist tatsächlich die Zahlungsmöglichkeit. Viele Reisende aus China informieren sich vorher, wo sie mit Alipay oder WeChat Pay zahlen können. Alipay z.B. zeigt in seiner App, welche Hotels dort gelistet sind. Für die beteiligten Häuser ist das gleichzeitig eine gute Werbung. Was die weiteren Ansprüche chinesischer Gäste betrifft, ist auch hier wieder zu unterscheiden zwischen Gruppenreisenden und Individualtouristen. Individualtouristen bevorzugen Häuser im Vier- oder Fünf-Sterne-Bereich mit hoher Servicequalität – und sind auch bereit, dafür zu zahlen. Ganz wichtig ist WiFi. Internet muss überall verfügbar sein. Wie schon bei den Marketingmaßnahmen erwähnt, verbinden Chinesen mit bestimmten Farben Positives oder Negatives. Rot und Gold stehen zum Beispiel für Glück und Wohlstand. Dieses Wissen lässt sich auch für das Interieur nutzen. Bei der Ausstattung darf zudem ein kleines aber wichtiges Detail nicht fehlen: Chinesen trinken gern heißes Wasser. Deshalb sollte immer ein Wasserkocher im Zimmer und bestenfalls auch an der Rezeption stehen. Gruppenreisende buchen meistens Häuser im Drei- oder Vier-Sterne-Bereich. Diese Gäste freuen sich zum Beispiel über die obligatorischen Noodle Soups und Stäbchen in der Minibar und wenn ein Hotel das Frühstück an ihre Essgewohnheiten anpasst. Chinesen bevorzugen übrigens Buffets. Auch beim Abendessen. Wer zusätzlich punkten möchte, bietet auch noch chinesisches Fernsehen an.
Was gilt es bei der Gästebetreuung bzw. beim Service im Hotel noch zu berücksichtigen?
Gerade Individualtouristen ist ein schneller Service immens wichtig. Wartezeiten an der Rezeption werden sehr negativ wahrgenommen. Positiv kommt es an, wenn das Empfangspersonal ein paar chinesische Begrüßungsworte kennt – und die wichtigsten Verhaltensregeln: In China ist es zum Beispiel nicht üblich, bei der Begrüßung die Hand zu geben. Formulare, Karten oder ähnliches werden immer mit beiden Händen überreicht. Es empfiehlt sich, Hotelprospekte und Stadtpläne in chinesischer Sprache parat zu haben. Und hier bitte nicht auf den google-Übersetzer zurückgreifen. Mitarbeiter sollten außerdem auf die Frage vorbereitet sein, wo es in der Nähe ein gutes chinesisches Restaurant gibt. Bei der Vergabe der Zimmer muss man wissen, dass die Zahl 4 in China für Unglück und Tod steht. Zimmernummern, die eine Vier enthalten, sind deshalb ein absolutes No Go. Die Zahlen 6, 8 und 9 hingegen stehen für Glück und ein langes Leben.
Welche Unterschiede gibt es zwischen Geschäftsreisenden und Urlaubern?
Für Geschäftsreisende stehen ein funktionierendes Internet und guter Zimmerservice im Vordergrund. In China kann man rund um die Uhr bestellen, deshalb sind die Erwartungen hier ziemlich hoch. Ein guter Service beinhaltet aus Sicht chinesischer Business-Gäste auch die flexible Unterstützung in verschiedenen organisatorischen Bereichen wie beim Buchen von Bahn- oder Flugtickets. Urlaubsgäste erwarten neben den bereits genannten Ausflugszielen auch Möglichkeiten, sich zu erholen. Zum Beispiel mit chinesischem Fernsehen und Wellnessoasen im Hotel.
Ist die Zielgruppe chinesischer Touristen vor allem für Hotels in Metropolen oder Urlaubsdestinationen interessant oder können auch Häuser in ländlichen Gebieten, wenn sie es richtig anstellen, hier nennenswertes Geschäft generieren?
Viele Chinesen kommen aus großen Ballungsgebieten und Metropolen wie Peking und Shanghai. Individualreisende suchen deshalb oft gerade das Besondere in ländlichen Gebieten, die gute Luft und die Natur – natürlich unter der Voraussetzung, dass das Hotel ihren hohen Ansprüchen genügt. Aber auch Gruppenreisende können eine interessante Klientel sein, wenn es in der Umgebung Sehenswürdigkeiten oder interessante Städte gibt.
Thema Cross-Selling: Wie lässt sich der Umsatz mit chinesischen Hotelgästen noch zusätzlich ausbauen? Gibt es bestimmte Angebote, auf die diese Zielgruppe besonders anspringt?
Viele Chinesen schätzen es, wenn sie direkt im Hotel komplette Touren buchen können. Hierfür kann man sich zum Beispiel mit lokalen Geschäften, Weinkellern, anderen Restaurants und Städtemarketinggesellschaften zusammentun und entsprechende Pakete entwickeln. Das ist auch eine gute Idee, wenn es um die Vermarktung auf chinesischen Online-Buchungsplattformen geht. Bei der Bewerbung kompletter Angebots-Pakete können hier die verschiedenen Kooperationspartner vorgestellt und zu den jeweiligen Websites verlinkt werden. Auch gibt es große Referenzportale, die sehr viele Chinesen nutzen, um sich über verschiedene Regionen zu informieren. Ähnlich wie wir es von Reiseblogs kennen, nur sehr viel größer. Wer hier präsent ist, kann seine Sichtbarkeit in China deutlich erhöhen. Unser Produkt „Visibility-Package“ ermöglicht es, auf diesen Portalen mitzuspielen mit direktem Link zur Buchungsmöglichkeit auf der Hotelwebsite. Auf diese Weise lassen sich sogar die OTAs umgehen.
Für Hotels, die chinesische Touristen bisher noch gar nicht im Fokus hatten: Haben Sie einen Tipp, wie diese am besten starten können? Was sollte man zuerst tun?
Um zu starten, sollte man erst einmal schauen, inwieweit der eigene Betrieb überhaupt schon sichtbar ist in China. Hierfür bieten wir einen kostenlosen, schnellen Visibility-Check an. Die Auswertung zeigt, ob bzw. wie gut Sie aktuell bereits gefunden werden. Auf dieser Basis geben wir eine Empfehlung, wie Sie ihre Sichtbarkeit noch verbessern können. Hilfreiche Tipps bietet auch unser kostenloses E-Book zum Downloaden.
Kontakt und weitere Informationen: https://touristsfromchina.com