Wir haben euch bereits über die kommenden Trends in der Gastronomie und Hotellerie von Pierre Nierhaus, einer der bekanntesten Change-Experten für die Hospitality-Branche, informiert. In diesem zweiten Teil geht es u. a. um die Themen Smartphone als Schlüssel der Zukunft über Bäckereien als Gastro-Versorger bis Tourismus mit individuellen Erlebnissen oder interaktives Lernen.
9. Individualität – Wir alle – aber jeder anders
Smartphone – Fernsteuerung für individuelle Wünsche.
Unabhängig nimmt heute jeder Gast seinen Aufenthalt sprichwörtlich selbst in die Hand. Gäste informieren, reservieren, bestellen und bezahlen digital – möglich gemacht durch das mobile Internet in Form des Smartphones. Als universales Tool ersetzt es über 50 wichtige Geräte (Thermometer, Landkarte, TV, Gastroführer usw.). Es ist die persönliche Kommandozentrale für Information, Kommunikation, Entertainment, es macht das Reisen und Ausgehen einfacher, schneller und bequemer. Heute entscheiden die Gäste, wie viel persönlichen oder digitalen Service sie in jede Situation in Anspruch nehmen wollen.
Beides anzubieten zeigt ein hohes Serviceverständnis. Das Tablet auf jedem Hotelzimmer ist bald nicht mehr gefragt. Gäste wollen ihr eigenes Gerät nutzen. Smartphones sind in Zukunft der Schlüssel zu jeder Dienstleistung. Individuelle und skalierbare Leistungen bereitzustellen, entscheidet über die Chancen im Zukunftsmarkt aller Hospitality-Bereiche
10. Bäckereien – Die Snack-Profis
Bäcker-Gastro: Krisengewinner.
Bäckereien wandeln sich zum Versorger und erweitern sich zum Gastro-Bäcker. Vor allem mittags ist Snacking angesagt, das Gastro-Bäcker mit ihren Backwaren/Snack-Angebot abdecken und durch kleine warme oder kalte Mittagsgerichte ergänzen. Qualität und traditionelle Handwerkskunst werden gepflegt und von Kunden geschätzt (Brotspezialitäten von Steinleitern „Brot gebacken wie zu Großmutters Zeiten“).
Wie in der Gastronomie müssen sich Bäckereien der Digitalisierung und dem Thema Nachhaltigkeit stellen, um marktfähig zu bleiben. Dazu zählen auch veränderte Vorgaben wie das ab Januar 2023 geltende Angebot für Mehrwegverpackungen. Um konkurrenzfähig zu bleiben, suchen Bäcker nach Kooperationen in Foodhalls. Oder entwickeln ein eigenes Projekt wie die schwäbische Markthalle
H-ALBZEIT mit Bäckerei, Metzgerei und Gastronomiekonzept vom BeckaBeck und der Albmetzgerei Failenschmid.
Herausforderungen sind die gestiegenen Energie- und Getreidepreise. Aber auch der fehlende Nachwuchs bzw. Mitarbeiter, weshalb zunehmend auf Arbeits- und Produktionszeiten tagsüber umgestellt wird. Die Backsystemer werden besser und gastronomischer wie Backwerk (Valora). Bäckerei-Snacks werden moderner und kreativer, Gastro-Trends werden beobachtet und aufgegriffen (Pinsa neben Pizza). Frühstück ist der aufgehende Morgenstern und Lunchersatz. Je nach Angebot ist das Konzept variierbar in einfach und gesund (Haferkater) oder Luxus und Genuss (international: Eggslut). Gewinner: Porridge & Milchreis, Milch in allen Varianten, Avocado & Eier (neuer Trend: poached eggs). Nach wie vor beliebt sind die Klassiker (Pancakes, Waffeln & Co), aber auch moderne Bowls. Neue Frühstückscafés: PARVIN RAZAVI (Wien), SUNNY SIDE UP (Frankfurt), HARVEST (Berlin). Verrückt: BRINNER – Mischung aus Frühstück & Dinner.
11. Shopping – Lifestyle bestimmt Einkaufserlebnis
“Es gibt keine Kunden, Patienten, Klienten – nur Gäste.” Pierre Nierhaus
Das neue Shoppen ist ein Lifestyle-Erlebnis. Die Inszenierung der Marke erfolgt in edlen Shop-in-Shop-Konzepten oder eigenen Stores. Gastronomie ist überall fester Bestandteil, steigert die Attraktivität und zieht Besucher an. Food & Beverage ist der Klebstoff der Gesellschaft. Erfolgsbeispiel ist u. a. Breuninger, das sich vom Modehaus zum Multi Channel Department Store mit 11 Standorten entwickelt hat. Bei Malls und Shoppingcentern wird die Gastronomie großzügig eingeplant wie beim FOODTOPIA im Frankfurter MyZeil.
Die Supermärkte folgen diesem Trend. Die Konsumenten verhalten sich hybrid: Basisprodukte werden im Discounter gekauft, Lifestyle und hochwertige Produkte im Premium Supermarkt oder beim Einzelhändler. Diese Entwicklung ist in den Werbebotschaften sichtbar: “Du bist nicht irgendwer — kauf nicht irgendwo!” (Inez Quermann, EDEKA Händler). Snacklastige digitale Mini-Supermärkte kommen in die Cities (z. B. teo von tegut).
12. Design Grün, gemütlich, weltoffen
Authentisches Design – wichtig für Storytelling und Wohlfühlen.
Nachhaltigkeit, Sicherheit und Gemütlichkeit bestimmen die Designtrends. Digitalisierung und Technik erhöhen den Komfort, werden aber dezent integriert und bleiben eher im Hintergrund. Bestimmende Themen sind Natur und Grün. Nachhaltigkeit geht mit Storytelling einher. Das Design kann die Regionalität widerspiegeln, auch bei den Materialien. Glamourös kommt.
Ebenso edel und authentisch mit schönen Oberflächen und echte Materialien. Überall gehört Emotionalität dazu und steigert den Wohlfühlfaktor. Ein Muss sind gutes Lichtdesign und Akustik. Immer schon wichtig, jetzt unverzichtbar ist die Energieoptimierung in allen Bereichen (Front & Back of the House) durch Digitalisierung.
Die Außenbereiche sind erwachsen geworden, erhalten mehr Platz und gehören bei neuen Konzepten von Anfang zur Planung. Ebenso wie Sicherheit und Hygiene (Wegeführung, kontaktlose Prozesse u. a. Sanitär), um für die Zukunft (neue Pandemie) gerüstet zu sein.
13. Hotellerie – Hotels werden zu universellem Lebensraum
Exklusivität durch eigene Memberclubs und Bars.
Hotellerie wird noch vielfältiger, auch durch neue Mitbewerber. Die großen Hotelgruppen gewinnen an Marktmacht und agieren gleichzeitig immer lokaler. Klassische Hotellerie muss sich auf neue unerwartete (auch disruptive) Mitbewerber einstellen. Klare Kategorien wie Hotel, AirBNB, Longstay, Studenthotel etc. werden verschwimmen. Neue Märkte wie Longstay für Alte oder Gesundheitstourismus mit entsprechenden Konzepten entstehen. Das klassische Business — Travelling kehrt nicht zur alten Stärke zurück. Business und Leisure verschmelzen immer mehr (BLeisure Travel) und bieten neue Chancen. Städtetourismus kehrt zurück.
Davon profitieren Ketten mit Häuern in zentraler Lage, attraktiven Lobbys, kompakten Zimmern wie Motel One und Citizen M. Urlaubshotels werden zu familienfreundlichen Resorts, auch in der Top-Liga wie der Öschberghof und die Sonnenalp, oder der Stanglwirt in Kitzbühel. Manche Resorts verstehen sich als exklusive Welt und gewähren nur Hausgästen oder Clubmitgliedern den Zugang zu den F&B-Outlets wie Hotel The Ned in London. Wellness on Demand gibt es exklusiv gegen Aufpreis.
Gereist wird nachhaltig, auch von Firmen. Essen wird gesünder, nachhaltiger und der vegane/vegetarische Anteil wird sich erhöhen. Hotelgastronomie kann zum Genießermagneten werden oder viel lässiger zum Versorger und Treffpunkt für die Locals wie die preisgekrönte Roomers Bar in Frankfurt oder das Herbarium im Freigeist Göttingen. Workspace in Hotels wird ein logisches Zusatzangebot. Konnektivität und Digitalisierung werden zur allgemeinen Basis. Gegenpol ist die analoge Gastgeberschaft.
14. Tourismus – Reisen – im Einklang mit der Welt
Alle wollen weg – aber sicher!
Es gibt einen großen Nachholbedarf an Reisen: Freunde und Familie treffen, Besuch von geliebten Orten, Abenteuer, Heimat erkunden, Zeit in der Natur verbringen, auch als Gegenpol zu extravaganten Reisen. Reiseformate bzw. Reiseverhalten ändern sich, entsprechende Angebote werden zunehmen.
Erlebnisse stehen im Mittelpunkt. Dazu zählen auch individuelle Erlebnisse (Spa, körperliche/mentale Fitness) oder interaktives Lernen in neuer Umgebung. Resonanz-Tourismus ist die neue Form, bei der Menschen das echte, authentische Leben in der Fremde erleben, in Einklang mit der Umgebung und der Natur. Im Trend ist Workation als Mix aus Urlaub und Arbeit. Unternehmen erkennen dies als Chance und ermöglichen es ihren Mitarbeitern, ihre Tätigkeit bis zu 30 Tagen im Ausland auszuüben.
Allerdings belegen Studien, dass sich Wünsche der Reisenden teilweise widersprechen. Innovationen werden begrüßt, wenn sie das Leben und das Reisen einfacher machen. Deutschlandtourismus soll klimafreundlich und krisensicher werden. Reisen befindet sich im Wandel. Viele neue Optionen werden dazukommen, werden ausprobiert und müssen sich bewähren.
15. Catering – Caterer werden Innovationsvorreiter
Work – Food – Balance: zum Lunch ins Büro.
Die Caterer haben sich digital und nachhaltig aufgestellt. Vegetarische und vegane Küche hat Einzug gehalten. Moderne Zahl- Erfassungssysteme wurden eingeführt. Die Vorbuchung von Essensangeboten, das Scannen von Gerichten beim Bezahlvorgang, die Abrechnung über Lohnkonten usw. vereinfacht die Prozesse und unterstützt neue Modelle wie die variablen Arbeitsplätze im Axel Springer Neubau.
Wenn Mitarbeiter ganz oder teilweise zurück ins Unternehmen kommen, ist ihr größtes Bedürfnis nach Austausch mit den Kollegen. Die Aufgabe als sozialer Treffpunkt ist wichtiger denn je. Zusätzlich erschließen sich Caterer neue Geschäftsfelder (Sicherheitsdienst, Kita), entwickeln neue Take-away-Konzepte, beliefern den Einzelhandel, suchen Optionen für Zusatzdienstleistungen außerhalb von Food.
Sorge der Großen der Branche: Mittelgroße engagierte und flexible Caterer wie CONSORTIUM oder Premium Gastronomen wie die Traube Tonbach mit CANtine gewinnen Marktanteile und Auftraggeber sind hier endlich auch bereit für Qualität und Regionalität mehr zu bezahlen. Trotz cleverem Einsatz von High-Convenience ist Live-Cooking (oder Finishing) nicht wegzudenken.
Care-Catering, eher sichere Domain der Großen wird in Kliniken mit hohem Anteil Privatpatienten aufgewertet; die Waldkliniken Eisenberg haben Service und Food & Beverage auf dem Niveau der gehobenen Hotellerie. Zusätzlich erschließen sich Caterer neue Geschäftsfelder (Sicherheitsdienst, Kita), entwickeln neue Take-away-Konzepte, beliefern den Einzelhandel, suchen Optionen für Zusatzdienstleistungen außerhalb von Food.
Weitere spannende Fakten über Pierre Nierhaus findet ihr auf https://nierhaus.com/