Interview mit Hannes Rippka von Kirsch Import – House of Spirits
Er ist der Profi, wenn es um angesagte Barkultur und gute Spirituosen geht. Hannes Rippka stand schon auf den größten Events hinter der Bar, u. a. auf dem Oldenburger Opernball und diversen prominenten Musikfestivals. Seine Erfahrung und Expertise hat er nicht zuletzt auf zahlreichen Reisen durch verschiedene Länder mit Stationen in renommierten Bars und Hotels gesammelt. Wir haben ihn zu den aktuellen Cocktailtrends und zur Entwicklung der Barszene interviewt.
Welche Cocktails sind dieses Jahr gefragt?
Sehr angesagt sind gerade der Porn-Star Martini und der Espresso Martini, beides Cocktails, die – anders als ihre Namen vermuten lassen – nichts mit Martini zu tun haben, sondern mit Wodka zubereitet werden. Wer allerdings mal einen Espresso Martini mit einem guten dunklen Rum probiert hat, möchte meist nicht mehr zurück. Beim erstgenannten Cocktail trägt natürlich der fancy Name auch zum Erfolg bei. Außerdem sind Gin & Tonics nach wie vor ganz vorne mit dabei und Gin-Cocktails wie der Bramble mit Brombeerlikör, etwas Zuckersirup und Zitronensaft. Was auch immer geht: Alle möglichen Spritz-Variationen.
Gibt es typische „Frauen-Cocktails“, die gerade angesagt sind?
Frauen wählen tendenziell eher Drinks, die leichter sind. Zu den Favoriten gehören nach wie vor die Klassiker Hugo, Lillet und Aperol Spritz. Es kommt aber auch darauf an, wo getrunken wird. In der Cocktailbar z.B. werden auch klassische, aromatische Drinks wie der Manhattan gern mal von Frauen bestellt.
Und wie sieht es bei den Männern aus? Welche Cocktails ranken da ganz oben?
Bei den Männern darf erfahrungsgemäß gern mehr Wumms im Glas sein. Ein bisschen kräftiger und mit mehr Umdrehungen. Hier wird stärker auf das Preis-Leistungsverhältnis geschaut, heißt, für ihr Geld möchten die Herren auch die „richtige Mischung“ im Glas haben. Natürlich gibt es auch hier Unterschiede, je nach Gastronomiekonzept. In der klassischen Cocktailbar wird gemeinhin anders getrunken als im Restaurant mit Cocktailkarte.
Worauf fährt die junge Generation besonders ab?
Junge Leute bestellen häufiger alkoholfreie Cocktails oder Varianten mit wenig Alkohol. Auch Gin ist bei der jungen Generation beliebt, vor allem besondere, neue Gins. Über Social Media verfolgt die Community, was die Lieblings-Brand gerade Neues herausgebracht hat und möchte das dann probieren.
Welche Cocktails matchen an heißen Tagen am besten?
Wir haben in Deutschland keine lange etablierte Cocktailkultur wie in den USA, wo es in vielen Regionen einen Standard-Cocktail gibt, mit dem man diese Gegend und damit auch ein bestimmtes Klima verbindet. Die Zubereitung von Cocktails zuhause ist dort in vielen Fällen auch üblicher als es bei uns der Fall ist. Hier wird im Sommer auf der Terrasse ja eher das kühle Bier oder die Weinschorle getrunken. Ich persönlich finde an heißen Tagen den Mint Julep aus Minze, Bourbon Whisky, Zucker und crushed Eis sehr erfrischend. Statt Bourbon könnt ihr übrigens auch Rum nehmen. So steht es auch in der ursprünglichen, aus den Südstaaten stammenden Rezeptur. Auch das ist sehr aromatisch. Aber auch ein Daiquiri trinkt sich super bei 30 Grad im Schatten. Generell passen Rum und Wärme toll zusammen. Wie auch bei einem Hurricane aus kräftigem, dunklen Rum, Zitronensaft und Passionsfruchtpüree, den man genau wie einen Mai Tai direkt mit Sonnenschein, Strand und Meer, also mit dem typischen Sommer- und Urlaubsfeeling verbindet.
Kommen wir zu den Ingredients: Welche Spirituosen werden gerade gehyped?
Es fällt auf, dass die Whisky-Liebhaber mittlerweile ihren Fokus auch auf andere, fassgelagerte Spirituosen richten wie Cognac oder Armagnac. Vor allem interessante Abfüllungen von kleinen Häusern und Marken werden immer beliebter. Außerdem erfreut sich Rum wachsenden Interesses. Hier entdecken die Cocktailfans gerade, wie vielseitig diese Spirituose ist.
Was tut sich aktuell sonst noch im und am Glas?
An der Bar werden immer mehr selbst hergestellte Zutaten wie zum Beispiel hausgemachte Sirups eingesetzt. Auch moderne Herstellungsverfahren, die man aus der Küche kennt, finden langsam ihren Weg in den Cocktailbereich, wie Sous-vide oder die Rotationsverdampfung zur Extrahierung von Aromen. Schaut man einmal die Entwicklung der letzten 15 Jahre im Barbereich an, so muss man eins wissen: Es gibt – leider – keinen Ausbildungsberuf zum Bartender. Die Barszene hat sich quasi aus sich selbst heraus immer wieder neu erfunden. Durch Austausch, Experimentieren und das Sammeln und Teilen von Erfahrungen im Ausland hat sich die Barwelt dadurch sogar schneller und unabhängiger weiterentwickelt als die Gastrobranche allgemein und es ist eine lebendige und dynamische Szene entstanden, die weltweite Inspirationen aufgenommen und immer neue Rezepturen und Produktionsverfahren auf den Weg gebracht hat.
Wo hat sich im Cocktail-Bereich am meisten getan und was ist heute deutlich anders als noch vor einigen Jahren, was die Trinkgewohnheiten angeht? Gibt es da eine Entwicklung, die auffällig ist?
Heute sind deutlich mehr Apéritif-Cocktails bei den Gästen gefragt, insbesondere in Bars oder wenn es ums Terrassengeschäft geht. Es ist außerdem im Trend, eigene Drinks zu entwickeln, die es nur in dem einen Betrieb gibt und für die ein Restaurant oder eine Bar bekannt ist. Die sogenannten Signature-Drinks.
Was rätst du Hotels und Bars heute, wenn es um die Zusammenstellung ihrer Cocktailkarte geht? Worauf sollte man achten?
Ich empfehle euch, gar nicht alle eure Cocktails in die Karte aufzunehmen. Ein paar Klassiker kann man gerne mal weglassen, ein Whisky Sour oder ein Old Fashioned wird auch so bestellt. Die besonderen, individuellen Cocktails, die ihr gern häufiger verkaufen möchtet, stellt ihr euren Gästen persönlich vor. Am besten, indem ihr eine Geschichte zu den Drinks erzählt und diese so mit Leben füllt. So begleitet ihr den Gast und motiviert ihn dazu, auch mal etwas Neues zu probieren. Ein super Nebeneffekt: Wenn Gäste das Gefühl haben, eine neue Entdeckung gemacht zu haben, teilen sie diese auch häufiger in den sozialen Medien und im Freundeskreis. Storytelling und das Schaffen von Emotionen spielen also auch im Cocktailbereich eine wichtige Rolle.
Was ist mit alkoholfreien Cocktails: Sind diese mittlerweile auf Augenhöhe mit den alkoholischen Varianten?
Auf Augenhöhe, davon sind wir sicher noch weit entfernt. Aber: Die Nachfrage nach alkoholfreien Cocktails ist auf jeden Fall da. Es gibt zum Beispiel immer mehr alkoholfreie Destillate. Der Markt wächst. Ohne Alkohol ist das übrigens ein Mocktail. Ein Cocktail enthält immer Alkohol…😉
Daydrinking ist ein zunehmendes Thema in der Hospitality: Welche Cocktails sind besonders „tagestauglich“ und beliebt bei „Daydrinkern“?
Wenn es um das Tagesgeschäft in Biergärten oder auf Terrassen geht, bin ich ein großer Fan von „Punches“. Diese werden in größeren Mengen zubereitet und in ein Behältnis mit Eiswürfeln gefüllt. Hier kann sich dann jeder etwas abzapfen. Auf diese Weise spart ihr tagsüber Personal und könnt euren Gästen etwas Besonderes bieten. Verkauft den Drink zum Beispiel als wechselnden „Cocktail des Tages“. Meine Empfehlung: Schaut euch mal den Philadelphia Fish House-Punch näher an. Dabei kommen Jamaica Rum, Cognac, Pfirsichlikör und Zitronensaft zusammen in die Bowleschale oder den Getränkespender. Tipp: Macht die passenden Eiswürfel aus Earl Grey-Tee. Die Bergamotte-Note des Tees matcht super dazu und gibt dem Ganzen nochmal das gewisse Etwas on top.
Welche Skills sind heute neben der Spirituosen- und Cocktailexpertise besonders wichtig für einen Barkeeper?
Gerade in der aktuellen Situation, in der persönliche Betreuung und der Service am Gast nicht mehr überall selbstverständlich sind, machen gute Gastgeberqualitäten an der Bar den Unterschied. Dieser Rolle sollte sich ein Bartender heute viel mehr bewusst sein. Wenn ich mich um den Gast kümmere und Nähe aufbaue, kann ich ihn auch besser steuern und weiß, was er gerne trinkt und was ich ihm gut verkaufen kann.
Wie schätzt du die weitere Entwicklung im Cocktailsegment ein? Was hat Zukunft, wo liegt das größte Potenzial?
Aufgrund des Personalmangels in der Hospitality werden Ready to drink-Cocktails immer interessanter werden, die man nur noch aus der Flasche ins Glas füllt. Auch Cocktailmaschinen kommen immer öfter ins Gespräch. Entwicklungen, die sich hoffentlich nicht dauerhaft durchsetzen, die aber in der derzeitigen Situation durchaus realistisch sind. Auf der anderen Seite wird es weiter Bars geben, denen das traditionelle Handwerk und die feinen Details wichtig sind. Hier wird die Schere weiter auseinanderdriften.
Abschließend interessiert uns noch brennend: Hast du selbst einen Lieblingscocktail und gibt es einen Cocktailtrend, den du besonders spannend oder abgefahren findest?
Einer meiner Favoriten ist der Mai Tai. Durch meine Tätigkeit bei Kirsch Import kenne ich so viele gute Rums aus unserem Sortiment, mit denen ich liebend gern experimentiere. Ich bin dann immer wieder beeindruckt, wie durch das Zusammenspiel verschiedener Rumsorten ganz unterschiedliche Geschmackserlebnisse entstehen. Ganz oben rankt bei mir außerdem der Daiquiri. Ich finde, hier liegt der Charme gerade in der Schlichtheit der Rezeptur mit ihren wenigen Zutaten. Wenn diese frisch und von guter Qualität sind, kann dieser Drink Weltklasse sein! Bei der Frage nach ungewöhnlichen Cocktailtrends fallen mir direkt die milchgeklärten Cocktails ein. Man spricht hier auch von den Milk-Punches. Mithilfe von Milch werden Cocktails nach einer bestimmten Methode geklärt, so dass sämtliche Trübstoffe herausgefiltert werden und ein glasklarer Drink im Glas zurückbleibt.