Dauerhafter Stress macht krank. Umso nachdenklicher stimmt die aktuelle Studie der Unternehmensberatung Gallup, nach der sich 42 Prozent der deutschen Beschäftigten gestresst fühlen. Wer kennt es nicht? Der permanente Entscheidungsdruck und ein insgesamt hohes Tempo erzeugen ein Gefühl des Getrieben seins. Die in großen Schritten fortschreitende Digitalisierung nährt dieses Gefühl obendrein: Zwar vereinfacht sie einerseits Prozesse, andererseits nehmen Geschwindigkeit und Komplexität immer weiter zu.
Eine dauerhafte Überlastung kann zu Burnout, Depressionen, Sucht oder psychosomatischen Symptomen führen. Im Arbeitsleben sind laut einer Studie der Techniker Kasse in 2022 17 Prozent der Fehltage auf psychische Belastungen zurückzuführen. Der Blick auf die mentale Gesundheit im Team gerät daher zunehmend in den Fokus von Arbeitgebern. Dass Leadership einen massiven Einfluss auf das psychische Wohlbefinden bei der Arbeit hat, zeigt die Gallup-Studie ebenfalls auf. So fühlen sich Beschäftigte, die von guter Führung berichten, weniger gestresst als Mitarbeitende, die mit ihrer Führung unzufrieden sind. Aber was macht eine gute Führung aus, die nicht krank macht? Sie schafft in erster Linie ein Umfeld, das psychologische Sicherheit bietet, die wiederum von mehreren Faktoren bestimmt wird:
Kommunikation & Feedback
In einer ausgeprägten Kommunikations- und Feedbackkultur weiß jeder, wo er steht, zählt das offene konstruktive Feedback zum Alltag. Es herrscht das Bewusstsein vor, dass alles angesprochen werden kann und Konflikte sofort geklärt werden. Nichts steht im Raum, was belastend sein könnte.
Potenzial & Selbstwirksamkeit
Die Aufgaben entsprechen den individuellen Fähigkeiten und Talenten, sodass das Gefühl entstehen kann, am unternehmerischen Erfolg des Unternehmens gut beitragen zu können.
Wertschätzung & Anerkennung
Das Team erfährt Wertschätzung für seine Arbeit. Wertschätzung sieht jedoch für jeden anders aus. Für den einen ist es die besondere Anerkennung einer Leistung, für den anderen die ungefragte Hilfe aus dem Team bei einem schwierigen Projekt, und für den nächsten ein Benefit. Hier gilt es, die Bedürfnisse des Einzelnen individuell zu berücksichtigen.
Gemeinschaft im Team
Sich aufgehoben fühlen in einem Team, das auch mal nach Feierabend gemeinsam etwas unternimmt: Team-Aktivitäten schaffen Verbundenheit – und Sicherheit.
Balance & Prävention
Gute Arbeitgeber setzen Anreize, auf die Work-Life-Balance zu achten, fördern sportliche Aktivitäten, haben einen Blick auf mögliche Überbelastungen und sorgen für den entsprechenden Ausgleich.
Die WHO definiert psychische Krankheit als Störung der Wahrnehmung, der Emotionsregulation oder des Verhaltens einer Person, die in der Regel mit Stress oder Beeinträchtigungen in wichtigen Bereichen des Lebens verbunden ist. Jeder vierte Erwachsene weist nach der Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie im Zeitraum eines Jahres die Kriterien einer psychischen Erkrankung, Psychosomatik und Nervenheilkunde auf. Eine Gesundheitsprävention in Form von Obstkorb und Fitnessstudiobeitrag reichen heute bei weitem nicht, wenn wir das Thema Gesundheit im Job ganzheitlich betrachten.
Wie stellt man fest, ob jemand psychisch gefährdet ist? Gewichtsveränderungen, ein ungepflegteres Erscheinungsbild, Verspätungen am Arbeitsplatz, Unzuverlässigkeit, Reizbarkeit oder eine ungewöhnliche Stille – all das können Hinweise sein. Eine Vertrauensperson sollte eine wertschätzende Art finden, mit dem Mitarbeitenden darüber ins Gespräch zu gehen und ihm zu helfen, wieder in Balance zu kommen. Sind es betriebsbedingte Faktoren, gilt es diese zu ändern. In jedem Fall ist es ratsam, das Aufsuchen des Hausarztes zu empfehlen. Einige Unternehmen setzen auch Mental Health First Aid (MHFA) Ersthelfer ein. Dazu kann man sich zum Beispiel über die Otto Beisheim Stiftung ausbilden lassen: https://www.beisheim-stiftung.com/de/de/projekte/mhfa-ersthelfer
Über den Gastautor Christian Henzler – Experte für Unternehmenskultur
Christian Henzler begleitet und berät mittelständische Unternehmen als Coach, Trainer und Berater. Seine Expertise liegt in den Themenfeldern Employer Branding, Leadership sowie in der Gestaltung von HR-Strategien, -Prozessen und Unternehmenskulturen. Weitere Informationen unter: https://www.christianhenzler.com